Reisetipp: Zur 15. Architekturbiennale nach Venedig
Eine völlig neuartige Auseinandersetzung mit dem Begriff Architektur liefert die diesjährige weltgrößte Fachausstellung in Venedig. Sozialbau satt Luxusherbergen, Funktionalität statt Selbstverwirklichung von Architekten, Nachhaltigkeit statt Profit stehen im Vordergrund. Eine Biennale die berührt und emotionalisiert.
„Downsizing“ ist angesagt
Der Trend war schon bei den letzten beiden Architekturbiennalen zu erkennen. Vorbei die Zeit der Selbstdarstellung von Stararchitekten, Projekten der Superlative mit Fokus auf Design statt Benutzbarkeit der Menschen die darin wohnen oder arbeiten. Das scheint auch nicht opportun, denn die Welt befindet sich in einer „downsize“ Phase. Wie schaffen wir das Grundbedürfnis der Menschen nach Wohnraum bei steigenden Bevölkerungszahlen und Flüchtlingsströmen? Wie bewältigen wir die wachsenden Müllberge, Umweltbelastungen durch Großstädte? Wie gehen wir mit unseren knapper werdenden Ressourcen um? Diese Fragen muten für eine Megaveranstaltung, wo es um Architektur geht, eher befremdend an. Sie spannen jedoch den äußerst begrüßenswerten Bogen zum heurigen Motto der Biennale „Reporting from the front“.
Der Mensch im Mittelpunkt
Dieser Aufruf stammt vom chilenischen Kurator Alejandro Aravena, der mit Sozialbauprojekten bekannt geworden ist. Ein sozial und politisch orientierter Typ, dem die Armen und die Grundabsicherung der Menschen am Herzen liegt. Ein Gutmensch, der heuer viele Gleichgesinnte aufgerufen hat, ihre Projekte zu präsentieren. Diese beschäftigen sich mit neuen Perspektiven und architektonischen Lösungen zu den Themen wie Wohnungsnot, Migration, Abfall, Nachhaltigkeit, Naturkatastrophen und soziale Integration. Da überrascht es nicht, dass unter den 88 präsentierten Teilnehmern aus 37 Ländern, stolze 55 zum ersten Mal bei der Biennaleschau dabei und ein Drittel davon unter 40 Jahre sind.
Die Damoklesschwerte unserer Zeit
Gleich zu Beginn der Ausstellung in der alten Werft „Arsenale“ ein eindrucksvolles Beispiel für Ressourcenbesonnenheit. Bevor mit der Vorbereitung der aktuellen Biennale angefangen werden konnte, mussten 100 Tonnen Material der alten Kunstbiennale vom Vorjahr entsorgt werden. Mahnend dafür hängen davon alte Aluminiumteile, die insgesamt 14 km ergeben, wie Damoklesschwerte über den Besuchern. Es werden viele Beispiele intelligenter Bauprojekte gezeigt, wie jenes von „Bel Architects“ aus Deutschland. Die Basis bilden einfache Grundbauten, die sich entsprechend den neuen Bewohnern (mit Schwerpunkt Zuwanderern) und ändernden Bedürfnissen leicht erweitern lassen. Eindrucksvoll auch die Installation von durch die schwarze Decke einfallenden Lichtstrahlen. Ein Zeichen für Nachhaltigkeit und den Fokus unsere natürlichen Lichtquellen stärker zu nutzen. Das gilt auch für viele Beispiele, die zeigen, wie man durch Verwendung lokal vorhandener Materialien wie Ziegel, Bambus, Lehm den ökonomischen Fußabdruck reduziert. Aber auch der kritische Blick auf die Probleme unserer Welt dominieren die Ausstellung. Wachsende Megacities und ihre Auswirkungen auf Platznot, das soziale und ökologische Umfeld, Müllberge und wie daraus ein großer Wirtschaftszweig geworden ist, sind nur einige wenige Beispiele interessanter Auseinandersetzungen für den Besucher. Die Lösung wäre, den ungebremsten Zuzug auf die Großstädte zu vermindern. Dafür könnte der Bau von Häusern am Land forciert werden. Mit dem was massenhaft zur Verfügung steht, mit Ziegeln und menschlicher Arbeitskraft. Dieses Projekt aus Paraguay mit dem eindrucksvollen Ziegelbogen am Beginn der Hauptausstellung in den Giardini wurde auch gleich mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet.
Breites Spektrum in den Länderpavillons
Dem heurigen Motto mit Fokus auf den sozialen, ökologischen und politischen Aspekt, sind auch sehr viele der 62 vertretenen Nationen in ihren Länderpavillons gefolgt. Die Polen beleuchten kritisch das Thema Schwarzarbeit und Ausbeutung der Arbeiter am Bau, die Serben sehen die junge Architektenbranche mit der tristen Perspektive der Gratisarbeit unter Druck, die Niederlande fragen kritisch warum UNO-Stützpunkte durch ihre isolierte Positionierung keinen Beitrag zur Verbesserung der lokalen Bevölkerung leisten können. Australien geht baden und stellt als Nation mit der höchsten Pooldichte der Welt dieses Wasserbecken als Ort der nationalen Identität aber auch Auslöser für ökonomische Problematiken in den Fokus. Die Türkei präsentiert „Bastardo“, ein aus Fundstücken der Werft in Istanbul zusammengestelltes Schiff. Das Projekt soll die starke Ähnlichkeit der Häfen von Istanbul und Venedigs als Symbolik grenzüberschreitender Verbindungen trotz der so unterschiedlichen Bedeutung beider Städte zeigen. Zumindest optisch scheint dies gelungen.
Offenes Haus für Flüchtlinge
Gleich mehrere Länder stellen ein Problem in den Mittelpunkt ihrer Präsentationen, dass ganz Europa seit über einem Jahr extrem beschäftigt. Die Flüchtlinge und deren räumliche und soziale Integration. Neben Finnland sind es vor allem Deutschland und Österreich die sich dieser Thematik gemeinsam widmen. Die Projekte entstanden bereits vor gut einem Jahr, als beide Länder noch von der „Willkommenskultur“ gegenüber Flüchtlingen geprägt war. Trotzdem sich mittlerweile der Wind ein wenig gedreht hat, haben beide Länder ihre Projekte ohne Abänderungen umgesetzt. Besonders weit geht Deutschland und präsentiert sich als offenes Land für Einwanderer. Dazu wurden erstmals in der Geschichte des 1938 unter den Nationalsozialisten erbauten deutschen Pavillons, 48 Tonnen Ziegel aus den Wänden gerissen und der Pavillon nach allen Seiten geöffnet. Vielfach wurde der Abriss des Gebäudes in den Giardini gefordert, in zahlreichen Biennalen umstrukturiert, der prangende Schriftzug „Germania“ übermalt und versteckt. Doch so freizügig hat sich der Pavillon noch nie gezeigt. Der Pavillon bleibt während der gesamten Ausstellungszeit unversperrt und offen. Drinnen geht Deutschland der Frage nach, was passiert, wenn aus Flüchtlingen Einwanderer werden. Unter dem Motto „Making Heimat“ wird verdeutlicht, wie Städte profitieren, wenn sie Einwanderern schnell Arbeit und Eigentum ermöglichen.
Orte für Menschen
Österreich präsentiert in Venedig unter dem Titel „Orte für Menschen“ ein Projekt, in dem drei leerstehende Bürogebäude in Wien für Flüchtlinge wohnbar gemacht wurden. Drei Architektenteams wurden beauftragt, jeweils in Zusammenarbeit mit NGOs die temporäre Unterbringung von Menschen in laufenden Asylverfahren zu planen, zu betreuen und menschenwürdige Räume zu schaffen. Das Architektenbüro „Caramel“ schaffte zum Beispiel mit textilen Elementen kleine Bereiche der Privatsphäre zu schaffen. Dazu wurden 52 Basis-Sets bestehend aus je einem Sonnenschirm, Stoffplanen und Kabelbindern um je 50 Euro und ein Zeiteinsatz von je 50 Minuten benötigt. Auf die Frage bei der Eröffnung, was Architekten, die üblicherweise Häuser planen animiert an so einem Projekt teilzunehmen, zeigte Günter Katherl von Caramel Architekten eines jener 20 Plakate, die sich die Besucher auch mitnehmen können: „Es geht bei der Architektur für Menschen zu planen und Befriedigung für sie zu erreichen. Egal bei welchem Projekt. Diese Frau auf dem Plakat kam schwer traumatisiert aus Afghanistan nach Österreich. Wir haben mit unserer Arbeit dazu beigetragen, dass sie ihren Lebensmut wiedergewonnen hat und lacht.“
Wer sich über viele derartige lebenssinnstiftenden Beispiele ein Bild machen möchte, sollte die Gelegenheit in Venedig noch bis 27. November 2016 nutzen.
Bericht Wolfgang Haas, Fotos Wolfgang Haas/Paul Kranzler
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